Alexandra Müller-Jontschewa Abend im Abendland

Laufzeit

09.01.2020
bis 20.02.2020

Alexandra Müller-Jontschewa (*1948 in Sofia/ Bulgarien) studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig von 1967 bis 1972 bei Harry Blume, Bernhard Heisig, Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke. Als diplomierte Ausstellungsgestalterin und Gebrauchsgrafikerin arbeitete sie freischaffend in Leipzig bis zum Umzug nach Hohenölsen im Jahre 1979. Seit 2010 lebt und arbeitet sie gemeinsam mit ihrem Gatten Hans-Peter Müller in Weida.

Geprägt durch ihr kunstsinnig-intellektuelles Elternhaus kam Alexandra Müller-Jontschewa bereits früh in den Genuss von Literatur und bildender Kunst. Ihr Vater lehrte an der Kunsthochschule von Sofia Schriftgestaltung und wurde später deren Rektor. Ihre Mutter war als freischaffende Grafikerin tätig. Disziplin, Ehrgeiz und der stete Wille zur technischen Weiterentwicklung waren damals wie heute Grundlage ihres künstlerischen Schaffens und spiegeln sich noch immer umfänglichst in ihren Werken wider, die sowohl handwerklich als auch inhaltlich höchstem Anspruch verhaftet sind. Vor allem Letzteres fordert die Rezipientenschaft, die in Anbetracht des heutzutage gängigen Minimalismus-Trends in der bildenden Kunst nur selten mit einer solchen Akkumulation mythologischer Verweise und ikonographischer Rückbezügen behelligt wird.

Darüberhinaus verwebt Müller-Jontschewa nicht nur tradierte Stoffe und Sujets der abendländischen Geschichtsschreibung mit Elementen der Mystik, sie kleidet eben jene noch dazu in surreale Gewänder. So thematisiert beispielsweise das Gemälde "Stupor munid II" die legendenbehaftete Geburt des Staufer-Kaisers Friedrich II., dessen Mutter Constance d‘Hautevilles aufgrund ihres bereits fortgeschrittenen Alters ihren Sohn auf dem Marktplatz von Jesi bei Ancona zur Welt gebracht haben soll, um ihre Mutterschaft zu beweisen. Müller-Jontschewa stellt diese als in eine mechanische Apparatur eingespannte Marionette dar, die wie ihr Neugeborenes in ritterlicher Rüstung gewandet jeglicher Selbstbestimmung und eigenständiger Beweglichkeit beraubt ist. Mittels Motiven wie den immer wiederkehrenden Marionetten, so auch im Gemälde "Justitia", übt die Künstlerin vermeintlich grundlegende Gesellschaftskritik, thematisiert die Rolle und Bedeutung der Frau, stellt Machtverhältnisse in Frage und negiert die scheinbare Freiheit des Individuums.

Die Vielschichtigkeit und Detailfülle der Arbeiten bringt jedoch selbst den geübten Betrachter stets in die Verlegenheit in Zweifel über die Lösung des Rätsels zu geraten, insofern die motivischen Ambiguitäten überhaupt eine einzige Deutung zuließen.
Ob Tafelbild oder Kabinettstück - selbst im kleinsten Rahmen kulminieren Wimmelbild-artig Versatzstücke christlicher Ikonographie im altertümlich-mythologischem Kontext und fordern den beflissenen Geist zu intellektuellen Höchstleistungen. Zugleich erfreut sich der Ästhet am Sahnehäubchen der altmeisterlichen Techniken, deren Kirsche die illusionistische Trompe-l’œil-Malerei zu sein vermag.